Die Grundlage für die zu vermittelnde Thematik bildet die Bindungstheorie nach dem englischen Psychoanalytiker John Bowlby. Sie entstand in ihren Grundzügen in den 1960er Jahren und basiert auf der Annahme, dass der Mensch evolutionsbiologisch eine angeborene Bereitschaft zur Bindung an eine Bezugsperson entwickelt hat, um sein eigenes Überleben zu sichern. Durch die entsprechenden Interaktionen soll die Notwendigkeit von Schutz und Fürsorge sichergestellt werden (Grossmann & Grossmann 2014).
„Bindung ist die besondere Beziehung eines Kindes zu seinen Eltern oder Personen, die es beständig betreuen. Sie ist in den Emotionen verankert und verbindet das Individuum mit anderen, besonderen Personen über Raum und Zeit hinweg.“ (Grossmann & Grossmann 2014, S.31)
Damit überhaupt eine Bindung hergestellt werden kann, existieren zwei biologisch verankerte Verhaltenssysteme. Zum einen bringt der Säugling ein universelles Verhaltensrepertoire mit, um Nähe und Kontakt zu den Bindungspersonen herzustellen, wie z.B. Weinen, Schreien, Anklammern oder Nachlaufen. Zum anderen warten die Eltern mit biologisch verankerten Verhaltensweisen zur Pflege und Fürsorge des Nachwuchses auf, wie z.B. Ammensprache, Hochnehmen oder Schaukeln (Hédervári-Heller 2012; Buchheim 2012). Beide Systeme sind darauf angelegt sich aufeinander abzustimmen und sich zu ergänzen. Das Gelingen dieses Prozesses, was sich in der sogenannten Bindungsqualität ausdrückt, ist einer der prägendsten Einflussfaktoren für die langfristige psychische und physische Entwicklung des Kindes und somit auch für die Reifung zu einer gesunden Persönlichkeit. Im besten Fall werden dann die Hauptbindungspersonen zum „sicheren emotionalen Hafen“, bei welchen man „emotional auftanken“ kann (Brisch 2013). Dieser sensible Vorgang steht und fällt jedoch mit dem Grad der Feinfühligkeit der jeweiligen Bindungspersonen im Umgang mit dem Kind. Dabei werden folgende Fragen als entscheidend angesehen (Hédervári-Heller 2012):
1. Wie gut gelingt es, die Signale des Kindes wahrzunehmen?
2. Wie gut gelingt es, diese Signale richtig zu interpretieren?
3. Wie gut gelingt es, entwicklungs- und situationsangemessen darauf
zu reagieren?
4. Wie zeitnah gelingt es darauf zu reagieren?